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Engagement für eine bessere Welt: Katja Urbatsch, Arbeiterkind
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Katja Urbatsch: Arbeiterkind
Die GeschäŌsführerin der IniƟaƟve ArbeiterKind.de hat in Berlin NordamerikanisƟk und Betriebs- wirtschaŌ studiert. Sie gehört zur ersten GeneraƟon in ihrer Familie mit Hochschulstudium. Katja Urbatsch, 34, ist eine der wichƟgsten und erfolgreichsten Kämpferinnen für den BildungsaufsƟeg von Kindern aus nichtakademischen Elternhäusern.
Anfangs wusste sie nicht, wie Studieren geht. Schon nach ein paar Tagen an der Uni merkte Katja Urbatsch, dass diemeisten ihrer Kommilitonen sich anders bewegten als sie, Fremdwörter benutzten und locker mit den Hochschullehrern plauderten. Sie selbst dagegen besuchte nur Kurse von wissen- schaŌlichen Mitarbeitern – zu Professoren oder in Sprechstunden traute sie sich nicht. Dann verstand sie, warum: Die Sich-Auskenner kamen aus Akade- miker-Häusern, sie selbst und ihr Bruder dagegen waren die Ersten in der Familie, die studierten. Später, als sie mit einem SƟpendium in die USA wollte, haƩe sie das Glück, von einem Professor für die Bewerbung gecoacht zu werden – und be- kam prompt den Studienplatz. Der Mentor riet ihr: „Reagieren Sie humorvoll, wenn Sie etwas nicht wissen. Die Jury freut sich, wenn sie unter- halten wird.“ Nach ihrer Rückkehr gab Urbatsch ihre Erfahrungen an Freundinnen weiter. Fast alle bestanden. Nach diesem Erfolg baute sie eine kostenfreie Homepage mit Tipps für ein souve- ränes AuŌreten für Studenten aus nichtakade- mischen Familien auf. Die Nachfrage war enorm. 2009 gründete sie ihre IniƟaƟve ArbeiterKind.de. Inzwischen unterstützen ehrenamtliche Mento- rinnen und Mentoren in fast 70 deutschen Städ- ten die IniƟaƟve – fast alle mit einem ähnlichen
Erfahrungshintergrund wie GeschäŌsführerin Katja Urbatsch. Sie ermuƟgen mit Vorträgen an Schu- len zum Studieren und geben jungen Erwachse- nen in Workshops prakƟsche Tipps für die Uni. Besonders Mädchen und junge Frauen kommen zur Beratung. Viele leiden darunter, dass ihre Eltern weder Geld noch Rat geben können oder nicht an die ZukunŌ der Tochter glauben. Katja Urbatsch kennt das. „Auf Familienfeiern muss ich mich immer noch für mein Studium rechƞerƟgen“, sagt sie. Sie ist dankbar, dass es in ihrer Kindheit Unterstützer gab wie die Basketballtrainerin, die sie ermunterte, einen Trainerschein zu machen. „Allein häƩe ich nicht mal geahnt, dass es diese Möglichkeit gibt.“ Inzwischen lassen sich PoliƟker, Hochschulen und Unternehmen von ihr beraten. Denn die IniƟaƟ- ve versucht umzusetzen, worum die PoliƟk schon lange ringt: Bildung für alle möglich zu machen. Aber es gibt noch viel zu tun. Nach fünf Jahren ArbeiterKind.de schließen die ersten Studieren- den die Uni ab. Und fühlen sich wieder unsicher. Weil sie nicht wissen, wo und wie man sich auf einen job bewirbt. In Workshops für Frauen und Berufseinsteiger können sie lernen, worauf es an- kommt. Katja Urbatsch weiß das genau – weil sie ihre eigenen Bedürfnisse studiert hat. Eigentlich ganz einfach. Und doch eine kleine RevoluƟon.
© nat verlag 2015
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