Menschen - Preview
Engagement für eine bessere Welt: Amy Lehman, Klinikschiff
2
Amy Lehman: Klinikschiff
Dr. Amy Lehman, 39, studierte Medizin und BetriebswirtschaŌ in Chicago und ist MuƩer eines 19-jährigen Sohnes. Sie arbeitete als Chirurgin, bevor sie beschloss, am Tanganjika-See eine schwim- mende Klinik zu bauen. Mit dem TaƩoo auf ihrem Rücken macht sie Werbung für das Projekt.
Sie plant ein ungewöhnliches Hilfsprojekt, und sie weiß, wie man Aufmerksamkeit dafür erregt: Am Schluss ihres Vortrages auf einer Konferenz in Ams- terdam sagt Amy Lehman, 39, lachend: „Ich war früher Tänzerin in einem Nachtclub.“ Sie knöpŌ das schwarze JackeƩ auf und präsenƟert ihren nackten Rücken. Von den Schultern bis zur HüŌe prangt dort ein TaƩoo. Es zeigt die Karte eines Sees, umgeben von zerklüŌeten Bergen. Es ist der Tanganjika-See in Ostafrika, mit 673 Kilometern der längste See der Welt. Amy Lehman, ÄrzƟn aus Chicago, will mit dem TaƩoo auf die medizinische Unterversorgung in der Region hinweisen. Und zugleich für ihr Pro- jekt werben: ein schwimmendes Krankenhaus. Das Schiff soll die rund drei Millionen Menschen errei- chen, die in den Ländern rund um den See leben. AbgeschniƩen von medizinischer Grundversor- gung, weil die Wege zu den Krankenhäusern weit sind, es kaum Straßen gibt und kein Telefonnetz. Alles fing vor etwa sechs Jahren auf einer Urlaubs- reise am Tanganjika-See an. Ein Taifun haƩe da- mals eine Fluglandebahn zerstört, Amy Lehman brauchte mehrere Tage mit dem Jeep, um auf die andere Seeseite zu kommen. Unterwegs sah sie Malariakranke und MüƩer, die schon mehrere Kin- der verloren haƩen. Sie traf eine Schwangere mit blockierten Wehen, die schon tagelang unterwegs war, weil niemand einen KaiserschniƩ durchfüh- ren konnte. Lehman sah nur einen Ausweg: „Wenn die Leute nicht zu einer Klinik kommen können, dann muss die Klinik eben zu ihnen kommen.“
Kurz darauf gab sie ihren Job als Chirurgin in ei- nem Chicagoer Krankenhaus auf und gründete die Lake Tanganjika FloaƟng Health Clinic (LT- FHC), eine NichtregierungsorganisaƟon mit Sitz in Chicago und Kigoma in Tansania. „Mir war klar geworden, dass ich selbst als gute Chirur- gin in meinem Leben nur ein paar tausend Men- schen helfen könnte. Und dort sind es Millionen.“ Mit fitzcarraldohaŌem Engagement steckte sie ihr ganzes Geld in das Projekt, zu wenig für das Schiff, aber ein Anfang. Es gelang ihr, Sponsoren zu finden. Inzwischen hat ihr 16-köpfiges Team aus Ärzten, Finanzmanagern und Bootsbauern – mehrheit- lich Einheimische – schon viel erreicht. Und weil Lehman wissen wollte, was die betroffenen Men- schen wirklich brauchen, reiste sie auf mühsamen Trips mit kleinen Motorbooten oder zu Fuß in die Dörfer. Mit ihrem Team verteilte sie 15000 Moski- tonetze und Radios, um rechtzeiƟg vor Epidemien warnen zu können. Aber das sind nur kleine Schrit- te: „Erst eine schwimmende Klinik mit OperaƟons- saal, GeburtsstaƟon und Ausbildungszentrum für lokale Krankenschwestern wird die Standards der Gesundheitsfürsorge fundamental verbessern.“ 25 Millionen Dollar muss sie dafür noch zusam- menkriegen. Aber Amy Lehman hat schon ande- re Sachen gestemmt. Als Kind saß sie aufgrund einer Autoimmunkrankheit einige Jahre im Roll- stuhl. Danach musste sie wieder gehen ler- nen, SchriƩ für SchriƩ, mit viel Geduld. Lehman sagt, wenn sie das Schiff nicht baut, wer dann?
© nat verlag 2015
Menschen
176
Made with FlippingBook - Online Brochure Maker